Immer wieder rollen sie wie Sisyphos den Stein bergauf – die Klimakrise hinterlässt bei Jugendlichen nicht nur ökologische, sondern auch seelische Spuren. Ein Blick auf die stille Gesundheitskrise und die Frage, was Generationengerechtigkeit wirklich bedeutet.
Klima und Psyche
Wieder schlechte Nachrichten: Laut jüngstem UN-Bericht schlittert die Welt auf eine Erderwärmung von 2,8 Grad Celsius bis zum Ende des Jahrhunderts zu, das Pariser Klimaabkommen ist längst zu einem Symbol vergangener Hoffnungen geworden. Die Menschheit lebt im Zeitalter der Dauerkrise: Pandemie, Kriege, Klimakatastrophen. Mit einer täglichen Dosis Apokalypse wird man in den Medien begrüßt. Dadurch ist das Stressniveau der Gesamtbevölkerung permanent erhöht, doch die psychologische Rechnung tragen vor allem die Jüngeren.
Laut einer Studie des Umweltbundesamtes berichten immer mehr Jugendliche von Zukunftsangst, Ohnmacht und dem Gefühl des Kontrollverlusts im Zusammenhang mit der Klimakrise („Climate Anxiety“). „Die Klimakrise ist auch eine Gesundheitskrise“, mahnt Katharina van Bronswijk von Psychologists for Future und betont, dass sich die Symptome wissenschaftlich von klassischen Jugendunsicherheiten unterscheiden. Heranwachsende gelten als besonders vulnerabel. Manche regieren mit Aktivismus, andere ziehen sich ins Private zurück und sind von Katastrophenmüdigkeit geplagt.
Zwischen Schuld und Pflicht
Doch das Problem ist vielschichtiger. Junge Menschen im globalen Norden befinden sich in einer paradoxen Doppelrolle als Betroffene und Mit-Verursacher zugleich. Während ältere Generationen noch der Illusion anhängen, Zeit zu haben, wächst eine Generation heran, die weiß, dass sie keine mehr hat. Wenn Jugendliche aber durch aufwändiges aktivistisches Engagement für ihr Alter zu viel moralische Verantwortung übernehmen, dann besteht infolge dieser Parentifizierung die Gefahr eines aktivistischen Burnouts, so Umweltbundesamt. Studien zeigen, dass das Risiko für psychische Erkrankungen in Verbindung mit dem Klimawandel in Deutschland steigt.
Handlungsdruck und fehlende Antworten
Das Bundesverfassungsgericht erkannte 2021 erstmals an, dass unzureichender Klimaschutz die Freiheitsrechte künftiger Generationen verletzt. Doch politisch blieb die Reaktion verhalten. Bis heute taucht die psychische Dimension der Klimakrise in kaum einem Regierungsprogramm auf. „Leider haben wir uns im Ausschuss konkret noch nicht damit befasst“, räumt Lisa Badum (Bündnis 90/Die Grünen), Mitglied des Umweltausschusses, ein.
Dabei ist mentale Gesundheit kein privates Problem, sondern eine politische Voraussetzung für Zukunftsfähigkeit. Wenn Angst zu stark wird, hat sie einen lähmenden Effekt, erklärt Bronswijk. Aktivierend wirkt sie nur, wenn Handlungsmöglichkeiten vorhanden sind. Doch diese fehlen. Jugendliche, die für ihre Zukunft demonstrieren, werden oft nicht unterstützt, sondern kriminalisiert, wie auch Lisa Badum erkennt. Dieses Signal ruft jedoch eher Ohnmacht als Engagement hervor.
Hoffnung als Generationenvertrag
„Wenn wir schon als Jugendliche in so einer psychischen Ausnahmesituation sind, dann werden wir niemals resilient genug sein, um die Probleme von morgen lösen zu können“, warnt Leander Heydenreich, stellvertretender Generalsekretär der Bundesschülerkonferenz. Auch nach Einschätzung von Luisa Girnus, Professorin an der Freien Universität Berlin, sollten deswegen Bildung über mentale Gesundheit und Krisenbewältigung, eine konstruktive Klimakommunikation von Politik und Medien sowie niedrigschwellige Partizipationsmöglichkeiten im Fokus stehen. Denn am Ende ist die Klimakrise auch eine Frage der Demokratie und Solidarität: Zwischen Jung und Alt, globalem Norden und Süden, Gegenwart und Zukunft. Der Deutsche Ethikrat spricht von innergesellschaftlichen, internationalen und intergenerationellen Perspektiven als Grundlage für Klimagerechtigkeit. Die Klimabewegung habe dies realisiert und sich zu einer Gerechtigkeitsbewegung gewandelt, wie Bronswijk bestätigt. Doch solange Sorgen und psychische Belastungen junger Menschen gesellschaftlich kaum anerkannt werden, droht eine stille Erosion des Vertrauens in eine zukunftsfähige Demokratie.
Vielleicht ist das die Hauptaufgabe unserer Zeit: Nicht nur die Erde zu retten, sondern auch die Hoffnung derer, die sie erben sollen.
Dieser Beitrag ist im Rahmen des Jugendmedienworkshops im November 2025 entstanden. Das Projekt wird von der Jugendpresse Deutschland, dem Deutschen Bundestag und der Bundeszentrale für politische Bildung organisiert.
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