Heiß auf Verän­de­rung – und ausge­brannt zugleich

Datum
01. Dezember 2025
Autor*in
Luise Richert
Redaktion
politikorange
Thema
#JMWS25
School strike 4 climate 4059178 1280

Goran Horvat

Immer wieder rollen sie wie Sisy­phos den Stein bergauf – die Klima­krise hinter­lässt bei Jugend­li­chen nicht nur ökolo­gi­sche, sondern auch seeli­sche Spuren. Ein Blick auf die stille Gesund­heits­krise und die Frage, was Gene­ra­tio­nen­ge­rech­tig­keit wirk­lich bedeutet. 

Klima und Psyche 

Wieder schlechte Nach­richten: Laut jüngstem UN-Bericht schlit­tert die Welt auf eine Erder­wär­mung von 2,8 Grad Celsius bis zum Ende des Jahr­hun­derts zu, das Pariser Klima­ab­kommen ist längst zu einem Symbol vergan­gener Hoff­nungen geworden. Die Mensch­heit lebt im Zeit­alter der Dauer­krise: Pandemie, Kriege, Klima­ka­ta­stro­phen. Mit einer tägli­chen Dosis Apoka­lypse wird man in den Medien begrüßt. Dadurch ist das Stress­ni­veau der Gesamt­be­völ­ke­rung perma­nent erhöht, doch die psycho­lo­gi­sche Rech­nung tragen vor allem die Jüngeren. 

Laut einer Studie des Umwelt­bun­des­amtes berichten immer mehr Jugend­liche von Zukunfts­angst, Ohnmacht und dem Gefühl des Kontroll­ver­lusts im Zusam­men­hang mit der Klima­krise („Climate Anxiety“). Die Klima­krise ist auch eine Gesund­heits­krise“, mahnt Katha­rina van Bronswijk von Psycho­lo­gists for Future und betont, dass sich die Symptome wissen­schaft­lich von klas­si­schen Jugend­un­si­cher­heiten unter­scheiden. Heran­wach­sende gelten als beson­ders vulnerabel. Manche regieren mit Akti­vismus, andere ziehen sich ins Private zurück und sind von Kata­stro­phen­mü­dig­keit geplagt. 

Zwischen Schuld und Pflicht 

Doch das Problem ist viel­schich­tiger. Junge Menschen im globalen Norden befinden sich in einer para­doxen Doppel­rolle als Betrof­fene und Mit-Verur­sa­cher zugleich. Während ältere Gene­ra­tionen noch der Illu­sion anhängen, Zeit zu haben, wächst eine Gene­ra­tion heran, die weiß, dass sie keine mehr hat. Wenn Jugend­liche aber durch aufwän­diges akti­vis­ti­sches Enga­ge­ment für ihr Alter zu viel mora­li­sche Verant­wor­tung über­nehmen, dann besteht infolge dieser Paren­ti­fi­zie­rung die Gefahr eines akti­vis­ti­schen Burn­outs, so Umwelt­bun­desamt. Studien zeigen, dass das Risiko für psychi­sche Erkran­kungen in Verbin­dung mit dem Klima­wandel in Deutsch­land steigt. 

Hand­lungs­druck und fehlende Antworten 

Das Bundes­ver­fas­sungs­ge­richt erkannte 2021 erst­mals an, dass unzu­rei­chender Klima­schutz die Frei­heits­rechte künf­tiger Gene­ra­tionen verletzt. Doch poli­tisch blieb die Reak­tion verhalten. Bis heute taucht die psychi­sche Dimen­sion der Klima­krise in kaum einem Regie­rungs­pro­gramm auf. Leider haben wir uns im Ausschuss konkret noch nicht damit befasst“, räumt Lisa Badum (Bündnis 90/​Die Grünen), Mitglied des Umwelt­aus­schusses, ein. 

Dabei ist mentale Gesund­heit kein privates Problem, sondern eine poli­ti­sche Voraus­set­zung für Zukunfts­fä­hig­keit. Wenn Angst zu stark wird, hat sie einen lähmenden Effekt, erklärt Bronswijk. Akti­vie­rend wirkt sie nur, wenn Hand­lungs­mög­lich­keiten vorhanden sind. Doch diese fehlen. Jugend­liche, die für ihre Zukunft demons­trieren, werden oft nicht unter­stützt, sondern krimi­na­li­siert, wie auch Lisa Badum erkennt. Dieses Signal ruft jedoch eher Ohnmacht als Enga­ge­ment hervor. 

Hoff­nung als Gene­ra­tio­nen­ver­trag 

Wenn wir schon als Jugend­liche in so einer psychi­schen Ausnah­me­si­tua­tion sind, dann werden wir niemals resi­lient genug sein, um die Probleme von morgen lösen zu können“, warnt Leander Heyden­reich, stell­ver­tre­tender Gene­ral­se­kretär der Bundes­schü­ler­kon­fe­renz. Auch nach Einschät­zung von Luisa Girnus, Profes­sorin an der Freien Univer­sität Berlin, sollten deswegen Bildung über mentale Gesund­heit und Krisen­be­wäl­ti­gung, eine konstruk­tive Klima­kom­mu­ni­ka­tion von Politik und Medien sowie nied­rig­schwel­lige Parti­zi­pa­ti­ons­mög­lich­keiten im Fokus stehen. Denn am Ende ist die Klima­krise auch eine Frage der Demo­kratie und Soli­da­rität: Zwischen Jung und Alt, globalem Norden und Süden, Gegen­wart und Zukunft. Der Deut­sche Ethikrat spricht von inner­ge­sell­schaft­li­chen, inter­na­tio­nalen und inter­ge­ne­ra­tio­nellen Perspek­tiven als Grund­lage für Klima­ge­rech­tig­keit. Die Klima­be­we­gung habe dies reali­siert und sich zu einer Gerech­tig­keits­be­we­gung gewan­delt, wie Bronswijk bestä­tigt. Doch solange Sorgen und psychi­sche Belas­tungen junger Menschen gesell­schaft­lich kaum aner­kannt werden, droht eine stille Erosion des Vertrauens in eine zukunfts­fä­hige Demo­kratie. 

Viel­leicht ist das die Haupt­auf­gabe unserer Zeit: Nicht nur die Erde zu retten, sondern auch die Hoff­nung derer, die sie erben sollen. 

Dieser Beitrag ist im Rahmen des Jugendmedienworkshops im November 2025 entstanden. Das Projekt wird von der Jugendpresse Deutschland, dem Deutschen Bundestag und der Bundeszentrale für politische Bildung organisiert.


Empfohlene Beiträge

Werde Teil unserer Community

Entdecke spannende Geschichten, vernetze dich mit anderen jungen Journalist:innen und gestalte die Medienlandschaft von morgen mit. Melde dich jetzt an und bleibe immer auf dem neuesten Stand.

Wehrpflicht Redaktion Gruppenbild