Grenzen über­winden, um auf Grenzen zu stoßen? 

Datum
01. Dezember 2025
Autor*in
Frieda Braune
Redaktion
politikorange
Thema
#JMWS25
Hand 1137977 1280

Falco

Wie der aktu­elle poli­ti­sche Diskurs die Inte­gra­tion erschwert. Ein Kommentar von Frieda Braune. 

Beim Thema Gene­ra­tio­nen­ge­rech­tig­keit machen sich viele Menschen Gedanken über ihre Rente und den demo­gra­fi­schen Wandel. Eine mögliche Lösung für viele der damit verbun­denen Probleme könnte die Zuwan­de­rung junger Menschen in den Arbeits­markt sein, doch der poli­ti­sche Diskurs rund um das Thema Migra­tion ist aufge­heizt. 

Dabei hat Migra­tion neben anderen aktu­ellen Flucht­ur­sa­chen auch viel mit globaler Gene­ra­tio­nen­ge­rech­tig­keit zu tun: Frühere Gene­ra­tionen aus dem globalen Norden haben im globalen Süden Ressourcen ausge­beutet, Lebens­räume zerstört und unzäh­lige Konflikte befeuert. Die Folgen dieser Unge­rech­tig­keiten sind bis heute auch ursäch­lich dafür, dass Menschen sich zur Flucht oder zur Arbeits­mi­gra­tion gezwungen sehen. 

Trotz dieser gene­ra­tio­nen­über­grei­fenden Verant­wor­tung des globalen Nordens bleibt Migra­tion gesell­schaft­lich umstritten. Auch wenn Migrant*innen ein Teil der Lösung für den demo­gra­fi­schen Wandel in Deutsch­land sein könnten, wird ihre Exis­tenz poli­tisch instru­men­ta­li­siert. Das hat sich etwa im Bundes­tag­wahl­kampf 2025 gezeigt. Fried­rich Heck­mann, Sozio­loge an der Univer­sität Bamberg, warnt: Die popu­lis­ti­sche Ausschlach­tung von Problemen der Inte­gra­tion behin­dert die Inte­gra­tion und vor allem die Entwick­lung von Zuge­hö­rig­keits­ge­fühlen bei den Migranten.“ Diese popu­lis­ti­sche Rhetorik isoliere und unter­grabe den gesell­schaft­li­chen Zusam­men­halt. 

Das führt am Ende auch dazu, dass Herkunft in unserer Gesell­schaft weiterhin über Zukunfts­chancen entscheidet. Vor allem junge Migrant*innen stoßen auf Barrieren, die Bildung, Arbeit und Teil­habe erschweren. Die Bundes­zen­trale für poli­ti­sche Bildung beschreibt, wie Diskri­mi­nie­rung und insti­tu­tio­nelle Hürden Inte­gra­tion behin­dern. Deut­lich wird: Nicht mangelnde Inte­gra­ti­ons­be­reit­schaft, sondern fehlende Struk­turen verhin­dern Teil­habe. Ohne gesell­schaft­liche Teil­habe und Zugang zum Arbeits­markt wird jungen Migrant*innen die Chance genommen, sich aktiv in Deutsch­land zu inte­grieren. 

Statt auf Inte­gra­tion zu setzen, verschiebt sich der poli­ti­sche Fokus momentan auf Abschot­tung: Seit Mai 2025 wurden Grenz­kon­trollen in Deutsch­land massiv ausge­weitet und Förde­rungen für Inte­gra­ti­ons­pro­jekte gekürzt. Von den Kürzungen bei Inte­gra­ti­ons­maß­nahmen sind laut Anne-Marie Kortas, Refe­rentin für Inte­gra­tion und Migra­tion im Berliner Senat, beson­ders Sprach­kurse und Wieder­ho­lungs­mög­lich­keiten bei Prüfungen betroffen. Der Grünen-Poli­tiker Timon Dzienus kriti­siert im Inter­view: Wir tun manchmal so, als würden sich Ausländer*innen nicht inte­grieren wollen. Das Gegen­teil ist die Wahr­heit.“ Er verweist dabei auf die Inte­gra­tion vieler Ukrainer*innen seit 2022, die durch gezielte Förde­rung Deutsch lernten und Jobs fanden. Anne-Marie Kortas betont: Wir wissen, wie es zu machen wäre, wenn es keine partei­po­li­ti­schen Kämpfe geben würde. 

Inte­gra­tion gelingt, wenn sie poli­tisch gewollt ist. 

Dass Inte­gra­tion ein Erfolgs­mo­dell sein kann, belegen etwa die über 400.000 Menschen mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund, die im Jahr 2022 einen Job fanden. Und mehr noch: Laut KfW-Grün­dungs­mo­nitor erfolgten im selben Jahr fast 22 Prozent aller Grün­dungen in Deutsch­land durch Ausländer*innen oder Menschen, die nicht seit Geburt die deut­sche Staats­bür­ger­schaft haben. Solche Erfolge belegen das Poten­zial von Migra­tion, etwa für den Arbeits­markt und damit auch für unser Renten­system. Dieses Poten­zial wird aber leider noch nicht ausrei­chend genutzt: So haben Kinder und Jugend­liche mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund in Deutsch­land weiterhin ein höheres Armuts­ri­siko und schlech­tere Bildungs­chancen. Herkunft bestimmt hier den Start ins Leben – und damit die Chancen für gesell­schaft­liche Teil­habe. Kortas betont: Heraus­for­de­rungen die wir im Bereich der Schulen, in Nach­bar­schaften, oder beim Zugang zu Wohnungen sehen – das sind keine Flücht­lings­pro­bleme, sondern struk­tu­relle Probleme.“ 

Gene­ra­tio­nen­ge­rech­tig­keit bedeutet also auch, gleiche Chancen für alle jungen Menschen zu schaffen – unab­hängig von ihrer Herkunft. Das erfor­dert Inves­ti­tionen in Bildung, Inte­gra­tion und Teil­habe. Statt über Migra­tion zu streiten, müssen wir über Inte­gra­tion spre­chen. Sie schafft Zuge­hö­rig­keit und stärkt das Funda­ment unserer Gesell­schaft. Nur dann können Migrant*innen sich gleich­be­rech­tigt an unserer Gesell­schaft betei­ligen. Eine gerechte Politik erkennt Migra­tion nicht als Bedro­hung, sondern als Chance: Nur wenn Herkunft zur Stärke wird, nicht zur Strafe, kann unsere Gesell­schaft wirk­lich gerecht sein – und zwar für alle Gene­ra­tionen! 


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