Wie der aktuelle politische Diskurs die Integration erschwert. Ein Kommentar von Frieda Braune.
Beim Thema Generationengerechtigkeit machen sich viele Menschen Gedanken über ihre Rente und den demografischen Wandel. Eine mögliche Lösung für viele der damit verbundenen Probleme könnte die Zuwanderung junger Menschen in den Arbeitsmarkt sein, doch der politische Diskurs rund um das Thema Migration ist aufgeheizt.
Dabei hat Migration neben anderen aktuellen Fluchtursachen auch viel mit globaler Generationengerechtigkeit zu tun: Frühere Generationen aus dem globalen Norden haben im globalen Süden Ressourcen ausgebeutet, Lebensräume zerstört und unzählige Konflikte befeuert. Die Folgen dieser Ungerechtigkeiten sind bis heute auch ursächlich dafür, dass Menschen sich zur Flucht oder zur Arbeitsmigration gezwungen sehen.
Trotz dieser generationenübergreifenden Verantwortung des globalen Nordens bleibt Migration gesellschaftlich umstritten. Auch wenn Migrant*innen ein Teil der Lösung für den demografischen Wandel in Deutschland sein könnten, wird ihre Existenz politisch instrumentalisiert. Das hat sich etwa im Bundestagwahlkampf 2025 gezeigt. Friedrich Heckmann, Soziologe an der Universität Bamberg, warnt: „Die populistische Ausschlachtung von Problemen der Integration behindert die Integration und vor allem die Entwicklung von Zugehörigkeitsgefühlen bei den Migranten.“ Diese populistische Rhetorik isoliere und untergrabe den gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Das führt am Ende auch dazu, dass Herkunft in unserer Gesellschaft weiterhin über Zukunftschancen entscheidet. Vor allem junge Migrant*innen stoßen auf Barrieren, die Bildung, Arbeit und Teilhabe erschweren. Die Bundeszentrale für politische Bildung beschreibt, wie Diskriminierung und institutionelle Hürden Integration behindern. Deutlich wird: Nicht mangelnde Integrationsbereitschaft, sondern fehlende Strukturen verhindern Teilhabe. Ohne gesellschaftliche Teilhabe und Zugang zum Arbeitsmarkt wird jungen Migrant*innen die Chance genommen, sich aktiv in Deutschland zu integrieren.
Statt auf Integration zu setzen, verschiebt sich der politische Fokus momentan auf Abschottung: Seit Mai 2025 wurden Grenzkontrollen in Deutschland massiv ausgeweitet und Förderungen für Integrationsprojekte gekürzt. Von den Kürzungen bei Integrationsmaßnahmen sind laut Anne-Marie Kortas, Referentin für Integration und Migration im Berliner Senat, besonders Sprachkurse und Wiederholungsmöglichkeiten bei Prüfungen betroffen. Der Grünen-Politiker Timon Dzienus kritisiert im Interview: „Wir tun manchmal so, als würden sich Ausländer*innen nicht integrieren wollen. Das Gegenteil ist die Wahrheit.“ Er verweist dabei auf die Integration vieler Ukrainer*innen seit 2022, die durch gezielte Förderung Deutsch lernten und Jobs fanden. Anne-Marie Kortas betont: „Wir wissen, wie es zu machen wäre, wenn es keine parteipolitischen Kämpfe geben würde.
Integration gelingt, wenn sie politisch gewollt ist.
Dass Integration ein Erfolgsmodell sein kann, belegen etwa die über 400.000 Menschen mit Migrationshintergrund, die im Jahr 2022 einen Job fanden. Und mehr noch: Laut KfW-Gründungsmonitor erfolgten im selben Jahr fast 22 Prozent aller Gründungen in Deutschland durch Ausländer*innen oder Menschen, die nicht seit Geburt die deutsche Staatsbürgerschaft haben. Solche Erfolge belegen das Potenzial von Migration, etwa für den Arbeitsmarkt und damit auch für unser Rentensystem. Dieses Potenzial wird aber leider noch nicht ausreichend genutzt: So haben Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund in Deutschland weiterhin ein höheres Armutsrisiko und schlechtere Bildungschancen. Herkunft bestimmt hier den Start ins Leben – und damit die Chancen für gesellschaftliche Teilhabe. Kortas betont: „Herausforderungen die wir im Bereich der Schulen, in Nachbarschaften, oder beim Zugang zu Wohnungen sehen – das sind keine Flüchtlingsprobleme, sondern strukturelle Probleme.“
Generationengerechtigkeit bedeutet also auch, gleiche Chancen für alle jungen Menschen zu schaffen – unabhängig von ihrer Herkunft. Das erfordert Investitionen in Bildung, Integration und Teilhabe. Statt über Migration zu streiten, müssen wir über Integration sprechen. Sie schafft Zugehörigkeit und stärkt das Fundament unserer Gesellschaft. Nur dann können Migrant*innen sich gleichberechtigt an unserer Gesellschaft beteiligen. Eine gerechte Politik erkennt Migration nicht als Bedrohung, sondern als Chance: Nur wenn Herkunft zur Stärke wird, nicht zur Strafe, kann unsere Gesellschaft wirklich gerecht sein – und zwar für alle Generationen!
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