Endlich regieren!

Datum
28. September 2021
Autor*in
Felicitas Nagler
Redaktion
politikorange
Themen
#BTW21 #Wahlen
Christian Lindner steht auf der Bühne vor einem großen Wahlplakat und hält eine Rede.

Christian Lindner steht auf der Bühne vor einem großen Wahlplakat und hält eine Rede.

Jugendpresse Deutschland e. V./Christopher Folz

Eine Koali­tion ohne die FDP wirkt nach dem Wahl­abend unrea­lis­tisch. Partei­chef Lindner macht deut­lich, dass seine Partei bereit ist, zu regieren. Feli­citas Nagler fragt: Mit wem?

Christian Lindner steht auf der Bühne vor einem großen Wahlplakat und hält eine Rede.

Christian Lindner überzeugt sein Berliner Publikum. Foto: Jugendpresse Deutschland / Christopher Folz

Zum ersten Mal in FDP-Geschichte erzielt die Partei zwei Mal in Folge ein zwei­stel­liges Ergebnis bei der Bundes­tags­wahl – das Ziel, die Partei auf dem Niveau von circa 11% zu stabi­li­sieren, ist erreicht. Nach den Wahl­partys der Partei in Berlin und ganz Deutsch­land beginnt ab Montag der Prozess der Regie­rungs­bil­dung.

Wir müssen mitbe­stimmen“

Johannes Richter sitzt gegenüber von Felicitas Nagler in einem Café.

Johannes Richter, Junge Liberale Hamburg. Foto: Jugendpresse Deutschland / Christopher Folz

Wir sind bereit, unseren Beitrag zu leisten“, erklärte Partei­chef Chris­tian Lindner schon am Wahl­abend und bestä­tigt damit den Regie­rungs­an­spruch der Freien Demo­kraten. Auch die jüngeren Partei­mit­glieder sind darauf erpicht, aus der Oppo­si­ti­ons­rolle auszu­scheiden. Wenn wir für Aufbruch sind, müssen wir mitbe­stimmen wollen“, meint Johannes Richter, Mitglied der Jungen Libe­ralen in Hamburg. Alles sieht danach aus, als würde diese libe­rale Sehn­sucht auch in Erfül­lung gehen.

Gelb und Grün

Es geht unkon­ven­tio­nell weiter: Norma­ler­weise lädt die Partei, die den oder die Kanzler*in stellen wird, zu Sondie­rungs­ge­sprä­chen ein. Am Montag­nach­mittag kündigt der Partei­vor­stand offi­ziell an, die FDP wolle zunächst mit den Grünen spre­chen. Zwischen den beiden klei­neren Parteien einer künf­tigen Jamaika- oder Ampel­ko­ali­tion bestehen entschei­dende Diffe­renzen. Kai Fackler, der in seinem Wahl­kreis 257 Ostallgäu 7,2% der Erst­stimmen für die FDP holte, sieht wesent­liche Hürden in den Berei­chen Steuern, Mindest­lohn und vor allem Klima­schutz. Die FDP habe ein Konzept, dass in sich sehr stimmig und nur in seiner Gesamt­heit anwendbar sei. Dass die Grünen den libe­ralen Ideen voll­ständig zustimmen, ist nicht zu erwarten. Das Deut­sche Institut für Wirt­schafts­for­schung unter­suchte alle Partei­pro­gramme auf die Wahr­schein­lich­keit, dass 1,5°C Ziel zu errei­chen. Dabei landeten die Grünen auf dem ersten, die FDP auf dem letzten Platz – mehr Diffe­renz geht nicht. Die Studie machte klar, dass die von der FDP präfe­rierten Markt­me­cha­nismen allein nicht ausrei­chend wären, um den Klima­wandel aufzu­halten. Wir haben das gleiche Ziel, doch wie wir dort hinkommen, da scheiden sich die Geister“, meint Fackler.

Jamaika oder Ampel?

Aber – wird es ein Jamaika-Bündnis? Die Sympa­thien für eine schwarz-grün-gelbe Koali­tion sind bei Lindner und anderen Libe­ralen am Wahl­abend klar heraus­zu­hören. Aber trägt das, eine Koali­tion unter Führung des Wahl­ver­lie­rers CDU/CSU? 8,8 Prozent­punkte hat die Union verloren; die SPD hingegen hat 5,2 Prozent­punkte gewonnen. Ist da nicht ein klarer Regie­rungs­auf­trag zu erkennen?

Chris­toph Meyer, Bundes­tags­ab­ge­ord­neter für die FDP seit 2017, sieht das anders. Für ihn ist nun der Zustand der Union entschei­dend: Die Frage ist, wie verkraftet die Union den Stim­men­schwund? Und was bedeutet das an internen Ausein­an­der­set­zungen?” Für den Fall, dass die CDU/CSU zu sehr mit sich selbst beschäf­tigt und nicht verhand­lungs­fähig ist, wäre Meyer auch offen gegen­über einer Ampel-Koali­tion.

Entgegen der schwarzen Präfe­renzen der FDP betonen Ökonom*innen die Vorteile eines Ampel-Bünd­nisses. Jens Südekum, Professor für Inter­na­tio­nale Volks­wirt­schafts­lehre an der Hein­rich-Heine-Univer­sität Düssel­dorf, räumt im Handels­blatt ein, dass die Ampel kein Selbst­läufer“ sei. Trotzdem gebe es eine Reihe goldener Brücken“ über die man jetzt gehen könne. Als Beispiel nennt er die Akti­en­rente der FDP, mit der das SPD-Verspre­chen einer stabilen Rente gehalten werden könnte. Die Infra­struk­tur­pro­jekte der Grünen wiederum könnten auf die gleiche Weise finan­ziert werden. So sieht Südekum viele mögliche Kompro­misse zwischen den drei Parteien.

Der Einfluss der Jungen Libe­ralen wächst

Kai Fackler steht mit einem Mikrofon vor einem Gebäude.

Kai Fackler kandidierte als FDP-Direktkandidat im Ostallgäu. Foto: privat

Für welches Bündnis FDP und Grüne sich auch schließ­lich entscheiden, Erstwähler*innen dürften zufrieden sein, dass beide Parteien an der Regie­rung teil­nehmen werden. Laut dem BR punk­tete die FDP mit 23 und die Grünen mit 22 Prozent unter jenen, die zum ersten Mal an der Wahl teil­nehmen durften.

Junge FDP-Wähler*innen können auch damit rechnen, dass die Frak­tion der FDP mehr Posi­tionen der Jungen Libe­ralen verkör­pern und so mehr jugend­liche Perspek­tiven vertreten wird. Sechs neue Mitglieder der Jugend­or­ga­ni­sa­tion habe das Parla­ment dazu­ge­wonnen, so Kai Fackler. Dadurch gewinnen Themen wie das Wählen ab 16, die Lega­li­sie­rung von Cannabis oder mentale Gesund­heit wahr­schein­lich inner­halb der Partei an Gewicht – und even­tuell damit auch inner­halb einer Regie­rung – sei es nun Jamaika oder die Ampel.

Die Sondie­rungs­ge­spräche wären schwer”, gibt Fackler zu, aber ich hoffe, dass Grüne und FDP sich gemeinsam an einen Tisch setzen und aushan­deln, was die Progres­si­vität, die beide Parteien vertreten wider­spie­gelt.” Anschlie­ßend geht es um die Koali­tion. Und dann, ja dann könnte die FDP endlich richtig regieren.


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