Ein roter Fleck auf der Land­karte

Datum
06. Mai 2019
Autor*in
Jana Borchers
Redaktion
politikorange
Thema
#pressefreiheit19
190503_RoG_Pressefreiheit_2019_068

190503_RoG_Pressefreiheit_2019_068

Jule Halsinger

Auf der Welt­karte von Reporter ohne Grenzen ist Afgha­ni­stan ein rotes Land“ – eines, in dem die Situa­tion der Pres­se­frei­heit als schwierig gilt. Die Jour­na­listin Farida Nekzad und der Foto­graf Andrew Quilty spre­chen im Studio R des Gorki-Thea­ters über die aktu­elle Lage, insbe­son­dere die von Frauen im Jour­na­lismus.

In der Jahres­bi­lanz der Nicht­re­gie­rungs­or­ga­ni­sa­tion Reporter ohne Grenzen werde Afgha­ni­stan, gemessen an der Anzahl getö­teter Medi­en­schaf­fender, als das gefähr­lichste Land für Jour­na­lis­tinnen und Jour­na­listen im Jahr 2018 bezeichnet. Mit diesem Hinweis eröffnet Gemma Pörzgen, Vorstands­mit­glied bei Reporter ohne Grenzen, die Veran­stal­tung, welche die Orga­ni­sa­tion in Koope­ra­tion mit dem Gorki-Theater am Inter­na­tio­nalen Tag der Pres­se­frei­heit durch­führt. Zu Gast sind die afgha­ni­sche Jour­na­listin Farida Nekzad und der austra­li­sche Foto­graf Andrew Quilty, der seit 2013 in Kabul lebt. Nicht viele Jour­na­lis­tinnen und Jour­na­listen wollen in Afgha­ni­stan arbeiten, so Quilty gleich zu Anfang. Aber die Geschichten hier seien tief­ge­hender als an anderen Orten: Fotos zu machen ist hier echter Jour­na­lismus“. Deshalb sei er immer noch dort.

Farida Nekzad berichtet von dem Zentrum für Jour­na­lis­tinnen, das sie gegründet hat, nachdem sie von 2004 bis 2009 Chef­re­dak­teurin der afgha­ni­schen Nach­rich­ten­agentur Pajwhok Afghan News war. Das Zentrum solle vor allem Schutz bieten und Anlauf­stelle für Frauen sein, die im Medi­en­be­trieb arbeiten. Für Jour­na­lis­tinnen sei die Lage beson­ders unsi­cher, zu den übli­chen Schwie­rig­keiten komme das Problem sexu­eller Übegriffe und Gewalt: Alle großen Medien werden von Männern geleitet. Deshalb ist es für viele Frauen schwer, Gehör für ihre Situa­tion zu finden“, so Nekzad.

Mehr Frauen in die Medien

Ansonsten steht an diesem Abend vor allem Quiltys Arbeit im Vorder­grund. Die Schau­spie­lerin Ruth Reinecke liest einen Bericht vor, der in einem Inter­view zwischen Quilty und der Jour­na­listin Vero­nika Esch­ba­cher entstanden ist, und in dem Quilty vom Alltag in Kabul berichtet. Hier hätte natür­lich auch Nekzad erzählen können, die das Land wesent­lich besser kennen dürfte – das Inter­view ist aber in dem Bild­band Fotos für die Pres­se­frei­heit“ erschienen, den Reporter ohne Grenzen jedes Jahr am 3. Mai heraus­gibt und deshalb an diesem Abend auch präsen­tiert.

Einige von Quiltys Arbeiten werden auf einer Lein­wand im Hinter­grund gezeigt. Auf einem davon ist ein kleiner Junge zu sehen, dessen Onkel ihm die Ohren zuhält, um ihn vor dem Lärm einer Deto­na­tion zu schützen, wie der Foto­graf erzählt. Auf einem anderen Bild ist ein weißes Bett­laken zu sehen, hinter dem sich die Silhou­etten mehrerer Frauen abzeichnen. Über die Situa­tion von Frauen zu berichten, sei beson­ders schwer, so Quilty: Es ist als Mann nicht so einfach, der Situa­tion gerecht zu werden und eine gesell­schaft­lich akzep­tierte und kultur­sen­sible Geschichte zu erzählen“. Auch deshalb sei es so wichtig, dass mehr Frauen in den Medien arbeiten, ergänzt Nekzad.

Verhand­lungen mit den Taliban

Einen etwas selt­samen Beigeschmack hat die Veran­stal­tung dadurch, dass Andrew Quilty von der Verlei­hung des World Press Photo Awards, den er in diesem Jahr für seine Bilder eines Anschlags­ortes in Kabul erhielt, kurz nach Einla­dung wieder ausge­laden wurde, da ihm unan­ge­mes­senes Verhalten gegen­über Frauen“ vorge­worfen wurde. Darauf weist auch Gemma Pörzgen kurz vor Ende der Veran­stal­tung hin, erklärt aber auch, dass sie selbst vor Ort recher­chiert und vorerst keine konkre­teren Hinweise für die Vorwürfe habe finden könne. Deswegen habe man entschieden, an Quiltys Einla­dung fest­zu­halten.

Farida Nekzad schlägt schließ­lich den Bogen zu aktu­ellen Entwick­lungen in Afgha­ni­stan. Am Freitag erst ist eine Tagung der afgha­ni­schen Rats­ver­samm­lung zu Ende gegangen, die einen Waffen­still­stand zwischen Regie­rung und Taliban fordert. Parallel finden seit einiger Zeit Verhand­lungen zwischen Taliban und den USA statt. Nekzad erin­nert an all die Verbes­se­rungen in der Rechts­lage, beson­ders für Frauen und Jour­na­lis­tinnen, die es seit dem Sturz der Tali­ban­herr­schaft in dem Land gegeben hat, und bringt ihre Sorge zum Ausruck, dass diese in Verhand­lungen zu einem Frie­dens­ab­kommen aufge­weicht werden könnten: Wir brau­chen keinen Frieden, der all diese Errun­gen­schaften wieder einschränkt“.

Werde Teil unserer Community

Entdecke spannende Geschichten, vernetze dich mit anderen jungen Journalist:innen und gestalte die Medienlandschaft von morgen mit. Melde dich jetzt an und bleibe immer auf dem neuesten Stand.

Wehrpflicht Redaktion Gruppenbild