Ein leeres Verspre­chen?

Datum
11. September 2016
Autor*in
Isabel Pfannkuche
Redaktion
politikorange
Thema
#Jugendkonferenz16
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Paul Wischnowski

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Von Nord nach Süd: In jedem Bundesland gibt es eine "Referenzkommune". (Foto: Paul Wischnowski)

Der Gene­ra­tion von morgen muss auch heute schon etwas geboten werden. Würde man dabei nur auf einen Sport­verein oder auf eine Musik­schule setzen, würde man immer nur einen Teil aller Jugend­li­chen errei­chen. Aber mit Mitspra­che­recht auf kommu­naler Ebene hätten alle die Möglich­keit, den Ort, an dem sie sich am meisten aufhalten, nach ihren Wünschen zu gestalten. 16 Refe­renz­kom­munen“ verspre­chen, Jugend­ge­rech­tig­keit zu stei­gern. Ob das funk­tio­niert?

Schaut man sich einmal die Dörfer und Städte in Deutsch­land genauer an, merkt man schnell, dass manche mehr und manche weniger Akti­vi­täten für Jugend­liche bieten. Gerade auf dem Land stößt man oft auf Regionen, in denen kaum etwas für die Frei­zeit­ge­stal­tung der Jugend­li­chen getan wird. So gibt es zum Beispiel Dörfer, aus denen man ab 17 Uhr mit öffent­li­chen Verkehrs­mit­teln nicht mehr raus­kommt, von denen die nächste Disco aber eine Stunde entfernt ist. Gäbe es mehr Möglich­keiten für die Frei­zeit­ge­stal­tung inner­halb dieser Dörfer, wäre das Buspro­blem nur noch halb so schlimm. Wir haben einen Skate­park bekommen, aber den dürfen die Jugend­li­chen noch nicht einmal so herrichten wie sie wollen. Wenn sie sich die Kanten zum Skaten verbes­sern, meckern die Erwach­senen noch“, beschwert sich der Jugend­pfleger Jannis Gerling, ein Teil­nehmer der Jugend­kon­fe­renz in Berlin.

Neue Wege − Refe­renz­kom­munen

Aber es geht auch anders: Das Projekt Refe­renz­kom­munen“ soll den Jugend­li­chen direkt in ihrer Heimat, etwas bieten. Schon im Mai 2014 erkannte die Koor­di­nie­rungs­stelle Handeln für eine jugend­ge­rechte Gesell­schaft“ die Notwen­dig­keit, sich näher mit Kommunen zu beschäf­tigen. Deshalb begannen sie noch im Herbst desselben Jahres, eine Lösung zu entwi­ckeln. Das Ergebnis: Ein Aufruf an alle Kommunen in Deutsch­land. 60 Kommunen wollten mithilfe des Projekts inner­halb von drei Jahren (2015 – 2018) jugend­ge­rechter werden. 16 erhielten eine Zusage, aus jedem Bundes­land eine − die soge­nannten Refe­renz­kom­munen“.

Die Teil­nahme am Projekt ist aller­dings keine Auszeich­nung, sondern ein Verspre­chen. Ein Bürger­meister verspricht der Öffent­lich­keit, seine Kommune inner­halb von drei Jahren jugend­ge­rechter zu machen. Es gibt keinen Zwang, etwas zu verän­dern, aber durch das Verspre­chen ist es natür­lich von Vorteil, es zu tun. Das Verspre­chen gibt Land und Öffent­lich­keit die Möglich­keit, Druck auf die Kommunen auszu­üben. Um sie dabei zu unter­stützen, besucht die Koor­di­nie­rungs­stelle die Kommunen direkt und gibt ihnen Denk­an­stöße – aber keine Empfeh­lungen, etwas Konkretes zu tun. Ziel ist es statt­dessen, mit den Jugend­li­chen gemeinsam konkrete Lösungen zu finden. Für Entschei­dungs­macht seitens der Jugend­li­chen sorgen zum Beispiel 1.800€ Förde­rung, die die Jugend­li­chen selbst verwalten dürfen. Sie können das Geld in die Hand nehmen und für etwas ausgeben, was ihnen in ihrer Heimat­stadt fehlt.

Wenn der Bürger­meister mauert

In der Theorie hört sich das Projekt Refe­renz­kom­munen“ perfekt an − aber wie so oft gibt es bei der Umset­zung noch Verbes­se­rungs­be­darf. Die Teil­neh­menden auf der Jugend­kon­fe­renz nennen auch einige Kritik­punkte: Fehlende Kommu­ni­ka­tion zwischen Kommu­nal­ver­wal­tung und Jugend­li­chen, Unbe­kannt­heit des Prozesses, die eine Folge aus mangelnder Öffent­lich­keits­ar­beit und wenig konkreten Konzepten ist. Außerdem haben nur 16 von 60 Bewer­bern die Möglich­keit, das Projekt bei sich umzu­setzen, sodass die Refe­renz­kom­munen nur einen Bruch­teil der Situa­tion in Deutsch­land reprä­sen­tieren.

Im Bundes­land Schleswig-Holstein hat die Klein­stadt Bad Sege­berg es zur Refe­renz­kom­mune geschafft. Mit der Jugend­be­tei­li­gung sieht es aller­dings trotzdem ziem­lich rar aus. Hellena Wage­mann ist Vorsit­zende vom Kinder- und Jugend­beirat in Bad Sege­berg, der auch schon einiges erreicht hat: Vor kurzem konnten sie die Schlie­ßung eines Jugend­zen­trums verhin­dern und haben einen regel­mä­ßigen Poetry Slam“ auf die Beine gestellt. Hellena persön­lich freute sich vor allem über eine Infor­ma­ti­ons­ver­an­stal­tung, bei der Jugend­liche und Verwal­tung endlich einmal auf Augen­höhe getagt hätten.

Hellena hat aller­dings vor allem Kritik mit nach Berlin gebracht. Wir haben in Bad Sege­berg eine Zukunfts­werk­statt veran­staltet, aber der Bürger­meister hat unsere Vorschläge und Ideen sofort abge­lehnt“, erin­nert sie sich. Die anfäng­liche Euphorie der Jugend­li­chen verflog daher schnell und Frus­tra­tion zog ein. Für Hellena lag die Ironie vor allem darin, dass eine Woche nach der Zukunfts­werk­statt eine neue Kinder­gar­ten­gruppe in das Jugend­zen­trum von Bad Sege­berg zog. Das große Jugend­zen­trum, das eigent­lich ein Platz für die Jugend­li­chen sein sollte, wird jetzt nach und nach zu einem Kinder­garten umge­staltet, weil der Platz­pro­bleme hat. Schon seit Langem kämpfen die Jugend­li­chen auch für einen Skate­park, weil der letzte in einer Licht- und Nebel­ak­tion abge­rissen worden sei. Es wird viel gesagt, aber nichts getan“, schließt Hellena. In Bad Sege­berg hat das Referenzkommunen“-Projekt bisher nicht viel bewirkt.

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Hellena Wageman und Alexander Feltes (Foto: Jonas Walzberg)

Jugend­liche in der Flücht­lings­hilfe

Aber es gibt auch andere Fälle – zum Beispiel Trier. Nach einer langen Einge­wöh­nungs­phase bilden sich nun langsam Struk­turen, in denen Jugend­liche arbeiten können. Obwohl es Kommu­ni­ka­ti­ons­schwie­rig­keiten mit dem frisch­ge­wählten Bürger­meister gibt, hat das Jugend­par­la­ment in Trier schon einiges auf die Beine gestellt: Die Erhal­tung einer Grund­schule, einen Trom­mel­work­shop, die Sanie­rung des Jugend­zen­trums und verschie­dene Projekte im Bereich Flücht­lings­hilfe wie zum Beispiel Koch­work­shops“, berichtet Alex­ander Feltes, Mitglied des Jugend­par­la­ments und Vertreter im Schul­trä­ger­aus­schuss. Er hat aller­dings auch ein persön­li­ches Anliegen, das auf Landes­ebene geklärt werden müsste: Die Erstat­tung von Fahr­kar­ten­kosten in der gymna­sialen Ober­stufe.

Refe­renz­kom­munen sind also ein guter Ansatz − nur bei der Umset­zung gibt es noch Probleme. Vor allem dann, wenn vor Ort der poli­ti­sche Wille fehlt. Noch haben die Kommunen aber zwei Jahre Zeit, um ihr Verspre­chen einzu­lösen. Es bleibt also abzu­warten, ob das Projekt 2018 als gelungen oder geschei­tert abge­stem­pelt wird.


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