Die freie Presse und ihre Feinde

Datum
06. Mai 2019
Autor*in
Jana Borchers
Redaktion
politikorange
Thema
#pressefreiheit19
Radeln_für_die_Pressefreiheit_quer

Radeln_für_die_Pressefreiheit_quer

Im welt­weiten Vergleich steht es in Deutsch­land um die Pres­se­frei­heit ziem­lich gut. Aber lassen sich auch hier Entwick­lungen beob­achten, die Anlass zur Sorge geben? Zum Inter­na­tio­nalen Tag der Pres­se­frei­heit am 3. Mai waren poli­ti­ko­range-Redak­teurin Jana Borchers und ‑Redak­teur Lukas Brueß mit einem Plakat­fahrrad des Bundes­ver­bands deut­scher Zeitungs­ver­leger in Berlin unter­wegs und haben Passanten und Passan­tinnen zu dem Thema befragt.

Wer an bedrohte Pres­se­frei­heit denkt, hat meis­tens andere Länder als Deutsch­land im Kopf. Länder, in denen Jour­na­lis­tinnen und Jour­na­listen für ihre Bericht­erstat­tung im Gefängnis sitzen. Man denkt viel­leicht an Saudi-Arabien, wo der Blogger Raif Badawi seit 2012 in Haft ist. Oder an die Türkei, die den Welt-Redak­teur Deniz Yücel ein Jahr ohne Anklage in Unter­su­chungs­haft hielt und erst im Februar letzten Jahres entlassen hat. Doch wie sieht es in Deutsch­land aus, wo die Pres­se­frei­heit in Artikel 5 des Grund­ge­setzes fest­ge­schrieben ist? Reicht der Vergleich mit Ländern, in denen Medi­en­ver­tre­tende um ihr Leben fürchten müssen?

Barbara Fischer, die an diesem Frei­tag­morgen mit einer Hand­voll Mitstrei­tender vor dem Bundestag für stär­kere Klima-Ambi­tionen demons­triert, sieht die Pres­se­frei­heit vor allem durch zuneh­mende Kommer­zia­li­sie­rung bedroht: Viele Menschen sind nicht mehr bereit, den Preis für guten Jour­na­lismus zu zahlen“. Als Grund dafür nennt sie das zuneh­mend kosten­lose Angebot im Netz.

Zeit­druck und verkürzte Debatten

Der Einfluss von Online-Ange­boten und beson­ders von sozialen Netz­werken ist erst kürz­lich wieder zum Gegen­stand der öffent­li­chen Debatte geworden. Anlass war der Streit zwischen Spiegel-Redak­teurin Anja Rützel und Stand-up-Künst­lerin Enissa Amani, die mit einer TV-Kritik nicht einver­standen war und einen Shit­s­torm gegen die Jour­na­listin lostrat. In solchen Online-Diskursen fällt es schwer, Emotion und Empö­rung gänz­lich von Fakten zu trennen. Besorg­nis­er­re­gend wird es dann, wenn Jour­na­listen und Jour­na­lis­tinnen plötz­lich das Gefühl haben, aufpassen zu müssen, was sie veröf­fent­li­chen – aus Angst, verkürzt darge­stellt zu werden und sich in einer erhitzten Online-Debatte nicht mehr erklären zu können.

Ist Selbst­zensur ein Problem, das die Pres­se­frei­heit in Deutsch­land bedroht? Eine ältere Passantin, die auf dem Gendar­men­markt auf eine Freundin wartet, glaubt, dass Jour­na­lis­tinnen und Jour­na­listen nicht immer von ihrer Frei­heit Gebrauch machen. Das läge auch an dem Druck, möglichst schnell immer neue Nach­richten zu produ­zieren, dabei habe Jour­na­lismus den Auftrag aufzu­klären“. Ein Tourist aus Russ­land betrachtet die Entwick­lungen in Europa mit Besorgnis. Als Grund für die Verschlech­te­rung der Lage bezeichnet er den zuneh­menden Erfolg rechts­po­pu­lis­ti­scher Parteien vieler Länder, deren Wahl­kampf auf Propa­ganda aufbaue: Viele Leute glauben daran und nicht an die echte Presse, die Analysen, die Vergleiche“.

Stim­mungs­mache gegen Medien?

Auch die Zahl der Über­griffe auf Jour­na­listen und Jour­na­lis­tinnen ist in den letzten Jahren ange­stiegen. Für das Jahr 2018 werden in einer Studie des Euro­päi­schen Zentrums für Presse- und Medi­en­frei­heit 26 gewalt­same Angriffe verzeichnet. Die meisten davon fanden auf rechten Demons­tra­tionen oder Versamm­lungen statt, beispiels­weise bei den Ausschrei­tungen in Chem­nitz Ende August. Stim­mungs­mache gegen Medien, wie sie beispiels­weise US-Präsi­dent Donald Trump betreibt, ist auch in Deutsch­land durch die AfD mit ihrer Lügenpresse“-Rhetorik zu beob­achten. In einer Studie der Fried­rich-Ebert-Stif­tung, die letzte Woche veröf­fent­licht wurde, stimmten ein Viertel der Befragten der Aussage zu, dass Medien und Politik unter einer Decke stecken“ würden.

Insge­samt wird an diesem Freitag doch immer wieder betont, dass Jour­na­lis­tinnen und Jour­na­listen hier­zu­lande vergleichs­weise große Frei­heiten haben. Dennoch wird deut­lich, dass die Angriffs­flä­chen der Pres­se­frei­heit auch hier zahl­reich sind. Dass Deutsch­land im Ranking der Nicht­re­gie­rungs­or­ga­ni­sa­tion Reporter ohne Grenzen auf Platz 13 steht, dass die Lage durch die Orga­ni­sa­tion als gut“ bewertet wird, sollte längst kein Anlass sein, sich zurück­zu­lehnen. Pres­se­frei­heit ist kein Gut, das einfach da“ ist, sobald es einmal erkämpft wurde. Der Inter­na­tio­nale Tag der Pres­se­frei­heit ist zumin­dest Anlass, sich dies immer wieder vor Augen zu führen.

Werde Teil unserer Community

Entdecke spannende Geschichten, vernetze dich mit anderen jungen Journalist:innen und gestalte die Medienlandschaft von morgen mit. Melde dich jetzt an und bleibe immer auf dem neuesten Stand.

Wehrpflicht Redaktion Gruppenbild