Das Haus der Reli­gionen“

Datum
07. Mai 2017
Autor*in
Alexander Stolz
Redaktion
politikorange
Thema
#JPT17
170506_JPT17_Samstag_Johannes Kolb (5 von 14)

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Terror­gruppen wie der Isla­mi­sche Staat“ sorgen in der Welt für viel Aufruhr. Sie verbreiten Schre­cken mit ihren Angriffen, bei denen viele Menschen zu Schaden kommen. Oftmals sind die Täter junge Menschen auf die der IS anzie­hend wirkt. Wie kommt es zu dieser reli­giösen Radi­ka­li­sie­rung gerade Jugend­li­cher? Wie kann man dem vorbeugen und was hat das mit Vertrau­ens­leh­rern an deut­schen Schulen zu tun? 

Meldungen über Terror erreichen uns beinahe täglich. Foto: Johannes Kolb

Meldungen über Terror erreichen uns beinahe täglich. Foto: Johannes Kolb

Warum radi­ka­li­sieren sich junge Muslime?“ Diese Frage stellen sich 6 junge Menschen in einer Arbeits­gruppe im Rahmen der JPT17 in Berlin. Zum zweiten Tag der Veran­stal­tung finden sie sich in der Saar­län­di­schen Landes­ver­tre­tung zusammen. Das Ober­thema ist die Radi­ka­li­sie­rung im Kontext der Reli­gion. Das Gespräch beginnt zöger­lich. Am Tisch sitzen zwei junge Musli­minnen und es wirkt zunächst so, als ob sich niemand die Finger verbrennen will. Das merken die beiden jedoch schnell. Es ist doch voll­kommen klar, dass wir nicht über den Islam reden, sondern über Isla­mismus!“, lenkt Hibba (17) ein. Damit ist das Eis gebro­chen und die aufge­lo­ckerte Stim­mung ist gleich zu spüren. Nur wenig später entsteht eine hitzige Diskus­sion zwischen den Teil­neh­menden.

Sie denken, sie tun das Richtige“

Den Anfang macht aber eine ganz andere Frage. Denn die Gruppe muss heraus­finden, welche biogra­phi­schen und gesell­schaft­li­chen Faktoren für eine Radi­ka­li­sie­rung entschei­dend sind. Adam (19) stellt fest: Es haben doch alle Extre­misten eine ähnliche Biogra­phie.“ Das scheint den Rest zu inspi­rieren, denn jetzt bricht ein regel­rechtes Ideen­ge­witter in der Saar­län­di­schen Landes­ver­tre­tung aus. Stich­worte wie Armut“ und geringes Selbst­be­wusst­sein“ fallen. Oftmals fühlten sich die Radi­kalen ausge­schlossen und nicht akzep­tiert. Sie würden nach einem fami­liären Umfeld suchen und bräuchten Halt, wie Fatma (24) sagt. Sie wollen Teil eines Systems sein – dazu­ge­hören“, führt sie weiter aus. Bald haben die ange­henden Poli­tiker ein großes Reper­toire an Ursa­chen gesam­melt.

Sie streiten sich weitere drei Stunden. Die Meinungen gehen an einer Stelle ausein­ander und finden an anderer wieder zusammen. Doch so drama­tisch sich die Diskus­sion manchmal zuspitzt, alles geschieht auf Augen­höhe – die Teil­neh­menden respek­tieren sich. Wer Präven­tion angehen möchte, muss jedoch auch die Beweg­gründe der Radi­kalen verstehen. Es kris­tal­li­siert sich heraus, dass das größte Problem wohl die Über­zeu­gung sei. Sie denken, sie tun das Rich­tige“, bedauert Fatma. Hibba erklärt sich das so: Ihnen wird ein Leben nach dem Tod verspro­chen und das tröstet viele.“ Für den Glauben zu sterben würde den ehema­ligen Außen­sei­tern einen neuen Sinn in ihrem Leben geben. Dem haftet natür­lich eine gewisse bittere Ironie an.

Verstanden und gehört

Als es in die letzte Runde geht, blickt man in erschöpfte Gesichter. Unzu­frieden sieht aber keiner aus. Die Moti­va­tion hat noch nicht nach­ge­lassen. Jetzt werden Forde­rungen an die Bundes­re­gie­rung“ gestellt, wie die Projekt­lei­terin es nennt. Diese sollten es dann in der Theorie möglich machen, reli­giöser Radi­ka­li­sie­rung vorzu­beugen. Im ersten Vorschlag ist die Rede von Fort­bil­dungen für Lehrer. Dienste wie Vertrau­ens­lehrer gäbe es zwar schon an vielen Schulen, aber wenige Betrof­fene würden sich tatsäch­lich trauen, diese in Anspruch zu nehmen. Die Initia­tive müssten die Lehrer ergreifen, um den Schü­lern mehr entge­gen­zu­kommen. Fort­bil­dungen, in denen die Lehrer mehr über die Tradi­tionen des Islams erfahren, müssten regel­mä­ßige Pflicht sein. Außerdem sei es wichtig nicht nur christ­li­chen Reli­gi­ons­un­ter­richt anzu­bieten, sondern einen viel­schich­tigen Ethik­un­ter­richt. Junge Muslime sollen sich nicht mehr ausge­schlossen fühlen.“, resü­miert Adam. Sie wollen auch verstanden und gehört werden.“

Sucht gerade als junge Muslima den Dialog: Fatima. Foto: Johannes Kolb

Sucht gerade als junge Muslima den Dialog: Fatma. Foto: Johannes Kolb

Ein Tag, eine Reli­gion“

Die wohl ausge­fal­lenste Idee hat aber Fatma. Sie träumt von einem Haus der Reli­gionen“. Dies solle ein Ort sein, einge­richtet durch die Regie­rung, in dem prak­tisch alle Gottes­häuser aufein­an­der­treffen. Auf den ersten Blick klingt das ganze recht utopisch, aber die junge Muslimin hat sehr konkrete Vorstel­lungen. Christen, Juden und Muslime haben doch alle andere Feier­tage in der Woche.“, leitet sie ein. Sonn­tags kommen halt die Christen in das Haus, um zu beten und Gott nah zu sein. Am Samstag können das die Juden tun und frei­tags sind die Muslime dran.“ Ihrer Meinung nach könne man so ein Gemein­schafts­ge­fühl zwischen den Reli­gionen herstellen. Ein gemein­samer Ort an dem man seinen Glauben auslebe, könne verbinden. Aufklä­rungs­be­darf bestehe auf allen Seiten. Das sei das Wich­tigste. So bedauert sie: Der Islam wird so miss­ver­standen von den meisten Deut­schen. Viele wissen zum Beispiel immer noch nicht, warum ich ein Kopf­tuch trage.“ Beim Tragen eines Kopf­tu­ches möchte sich Fatma nämlich von einer ober­fläch­li­chen Gesell­schaft distan­zieren. Es gehe dabei um die Persön­lich­keit und die Intel­li­genz, die eine Frau ausma­chen sollten und nicht ihr Aussehen. Durch ihr Haus der Reli­gionen“ verspricht sie sich besseres Verständnis unter den Glau­bens­rich­tungen. Aufklä­rung sei die beste Möglich­keit, um einer Radi­ka­li­sie­rung vorzu­beugen. Alle müssten verstehen, dass wir keine Feinde sind, nur weil wir in andere Rich­tungen denken. Da denkt Fatma in die rich­tige Rich­tung, pflichtet ihre Arbeits­gruppe ihr bei.


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