(Aus)bildungsgerechtigkeit – Poli­tiker und Teil­nehmer kommen­tieren

Datum
09. Mai 2017
Autor*in
Redaktion
politikorange
Thema
#JPT17
Anna Rakhmanko

Anna Rakhmanko

Bildung steht im Vordergrund bei den Kernforderungen auf den #JPT17. Foto: Anna Rakhmanko

Dass der Einstieg in das Berufs­leben vielen nicht leicht fällt, ist nichts neues. Bei der aktu­ellen Jugend­ar­beits­lo­sig­keit drängt sich aber die Frage auf: Ist es an der Zeit, eine Ausbil­dungs­ga­rantie in Deutsch­land einzu­führen?

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Das Bundesministerium im Hintergrund, ihr Leitspruch im Fokus: Gleiche Chancen werden groß geschrieben. Foto: Johannes Kolb

Immer mehr Ausbil­dungs­plätze werden in Deutsch­land gebraucht – vermehrt auch für Geflüch­tete, von denen rund die Hälfte unter 25 Jahren ist. Bei den Jugend­Po­li­tik­Tagen 2017 gingen verschie­dene Exper­tinnen und Experten im Rahmen eines Forums der Frage nach, wie man die hohe Nach­frage für Ausbil­dungs­plätze stillen und einen gerechten Zugang schaffen kann. Nach dem aktu­ellen Kinder- und Jugenbe­richt bekam jeder dritte der rund 800.000 Jugend­li­chen, die sich 2016 für einen Ausbil­dungs­platz bewarben, keinen Platz. Zusätz­lich seien derzeit 1,2 Millionen Menschen der 20 – 29 Jährigen ohne Berufs­ab­schluss. Die Gründe für Jugend­ar­beits­lo­sig­keit sind viel­schichtig, genau wie deren Lösungs­an­sätze.

Öster­reich als Vorbild

Vero­nika Litschel, Mitar­bei­terin des Öster­rei­chi­schen Insti­tuts für Berufs­bil­dungs­for­schung, berichtet von der Situa­tion in Öster­reich. Dort sichere die soge­nannte Ausbil­dungs­ga­rantie, dass der Arbeits­markt­ser­vice – in Deutsch­land die Arbeits­agentur – jedem Jugend­li­chen mindes­tens einen Ausbil­dungs­platz bietet. Dies sei vor allem deshalb eine wich­tige Stra­tegie, da ein formaler Berufs­ab­schluss, für einen erfolg­rei­chen Einstieg in das Arbeits­leben und das spätere Erlangen von Sozi­al­leis­tungen, unab­dingbar sei. Die gesetz­liche Vorschrift müsse jedoch auch durch eine ausrei­chende Zahl an Ausbil­dungs­plätzen in den Betrieben garan­tiert werden. Lisa Paus, Mitglied des Bundes­tages von Bündnis 90/​Die Grünen, merkt an, dass nur 20% der Betriebe in Deutsch­land ausbilden.

Geld darf keine Rolle spielen

Auch ich glaube, dass es sinn­voll ist, die Verbind­lich­keit zu schaffen, die durch ein Gesetz ausge­löst wird“, erklärt Fritz Felgen­treu von der SPD-Bundes­tags­frak­tion. Zur Über­le­gung, dass die Kosten einer Ausbil­dungs­ga­rantie zu hoch wären, begegnet er mit der Aussage, dass Geld keine Rolle spielen dürfe: Am Ende ist es viel teurer, jemanden, der keine Ausbil­dung hat, ein Leben lang über die Versor­gungs­sys­teme zu begleiten“. Auch Rose­marie Hein, Abge­ord­nete der Linken im Bundestag, spricht sich für eine bundes­weite Ausbil­dungs­ga­rantie aus. Sie fordert außerdem, dass sie in das Grund­ge­setz aufge­nommen werde. Auch Abschlüsse von Geflüch­teten oder Migrierten sollten in Deutsch­land aner­kannt werden, damit sie schneller ins Berufs­leben einsteigen könnten.

Was denken junge Menschen über Ausbil­dung und Berufs­ein­stieg?

Marit Scho­lich, Studentin der Sozialen Arbeit in Jena, ist im Kinder­netz­werk aktiv. Der Verein setzt sich für Kinder, Jugend­liche und Erwach­sene mit seltenen chro­ni­schen Erkran­kungen und Behin­de­rungen ein. Sie merkt an, dass die Ausbil­dungs­ga­rantie eine quan­ti­ta­tive statt quali­ta­tive Lösung anstrebt. Wichtig sei, junge Menschen schon in der Schule aufzu­klären, welche Ausbil­dungs­mög­lich­keiten es gebe oder auch direkte Ansprech­par­te­rinnen und Ansprech­partner zu suchen. Qualität beinhaltet natür­lich auch, dass aus allen sozialen Berei­chen, ob mit Behin­de­rung oder ohne, eine Garantie geschaffen werden muss“, erklärt sie.

Der 16-jährige Gymna­siast Tayyab Mohammad berichtet von dem Leis­tungs­druck, der oft an Gymna­sien besteht. Von der Ausbil­dungs­ga­rantie habe er erst­mals in der Landes­schü­ler­ver­tre­tung Hessen erfahren. Es ist wichtig, Schü­le­rinnen und Schü­lern, die nicht den Anspruch haben zu studieren, ebenso eine Viel­falt an Möglich­keiten zu bieten wie denen, die studieren wollen.“ Eliten­bil­dung könne man nur verhin­dern, in dem man allen gerechte Berufs­ori­en­tie­rung gebe. In dem elitären System, in dem wir uns befinden, wird eine Ausbil­dung gesell­schaft­lich nicht so ange­sehen wie ein Studium. Eine Ausbil­dungs­ga­rantie wäre eine Möglich­keit, aus poli­ti­scher Sicht Ausbil­dungen gleich anzu­er­kennen“, lautet sein Fazit.

Auf große Unter­schiede inner­halb der Länder Deutsch­lands weist der 18-Jährige Vincent Schreiber hin. Nicht nur die Unter­schiede im Schul­system, sondern auch in der Wirt­schaft schafften ungleiche Voraus­set­zungen. Wirt­schafts­starke Länder wie Baden-Würt­tem­berg oder Bayern suchten hände­rin­gend nach Auszu­bil­denen und versuchten mit dem dualen System auch am Studium inter­es­sierte Menschen anzu­spre­chen. Die Unter­nehmen sind inter­na­tional vernetzt und schauen auch immer mehr ins Ausland. Auch aus Portugal oder Spanien, wo die Jugend­ar­beits­lo­sig­keit extrem hoch ist, holen sie Auszu­bil­dende.“ Eine Idee sei, auch in anderen Bundes­län­dern Ausbil­dungs­plätze zu garan­tieren und so einen Ausgleich der Defi­zite zu schaffen.

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