Ankommen – Eine Diskus­sion des Inte­gra­ti­ons­pro­zesses

Datum
07. Mai 2017
Autor*in
Redaktion
politikorange
Thema
#JPT17
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Charles Lother - charleslother.de

Inte­gra­tion betrifft jeden Menschen in verschie­dener Form. Mensch­liche Bewe­gung gab es schon immer und wird es auch immer geben. Jeder kann dazu beitragen, die Ankunft von Menschen zu erleich­tern.

Viktoria Schuck (rechts) bringt ihre Erfahrungen in den AG's der #JPT17 ein. Foto: Charles Lother

Viktoria Schuck (rechts) bringt ihre Erfahrungen in den AG's der #JPT17 ein.        Foto: Charles Lother

Der Begriff Inte­gra­tion“ wird im tages­ak­tu­ellen sowie poli­ti­schen Kontext fast infla­tionär genutzt und ist dennoch schwierig zu fassen. Laut Duden bezeichnet er die Verbin­dung einer Viel­heit von einzelnen Personen oder Gruppen zu einer gesell­schaft­li­chen und kultu­rellen Einheit“. Es kommen also viele unter­schied­liche Iden­ti­täten zusammen. Doch auch wenn jeder Mensch beispiels­weise Migra­tion oder Flucht anders erlebt, lassen sich allge­meine Beob­ach­tungen hinsicht­lich der Alltags­rea­li­täten machen.

Zuge­hö­rig­keit und Teil­habe

Themen wie Iden­tität, Bildung und Inte­gra­tion insbe­son­dere zweiter Gene­ra­tionen widmet sich der Ethno­loge Jens Schneider in seiner Forschung. Er ist wissen­schaft­li­cher Mitar­beiter am Institut für Migra­tion und Inter­kul­tu­relle Studien an der Univer­sität Osna­brück und beschreibt Inte­gra­tion zunächst als ein Zusam­men­wirken von Zuge­hö­rig­keit und Teil­habe. Beides seien Zustände, die alle Lebens­lagen durch­ziehen und – egal ob Kinder­garten, Schule, Studium oder ein neuer Job – sie alle forderten von Menschen, sich in eine neue Umge­bung zu inte­grieren. Zwar sei Inte­gra­tion immer auch ein indi­vi­du­elles Bestreben, aber all diese Bereiche haben Zugangs­vor­aus­set­zungen und ihre eigenen Regeln“, sagt Schneider. Er hinter­fragt, wie gut die gesell­schaft­li­chen Struk­turen Inte­gra­tion ermög­li­chen. Das Zuge­hö­rig­keits­ge­fühl werde bei vielen durch die frühe Begeg­nung mit ausglie­dernden Fragen wie Was sagst du denn als Nicht-Deut­scher dazu?“ oder Wo kommst du denn her?“ einge­schränkt.

Wo ist das Problem?

Flucht oder Migra­tion gehen mit einem Wunsch einher, die eigene Lebens­si­tua­tion zu verbes­sern. Bei den Einwan­de­re­rinnen oder Einwan­de­rern erster Gene­ra­tion und den nach­fol­genden Gene­ra­tionen, also ihren Kindern und Enkel­kin­dern, gibt es nach Schneider jedoch wesent­liche Unter­schiede. Die erste Gene­ra­tion fokus­siere sich auf die Bereiche Ankommen, Arbeiten und Wohnen und erhalte noch enge Bezüge zum Heimat­land. Trans­na­tio­nale (Familien-)Beziehungen und eine gewisse Mobi­lität spielten dabei eine große Rolle. Die zweite Gene­ra­tion sei im Einwan­de­rungs­land zu Hause. Zwar bleibe man gegen­über den Eltern loyal, doch man hoffe auf Bildung, Erfolg und ein gutes Einkommen. Kulturen würden vermischt. Die Teil­habe an der Gesell­schaft sei für einige Personen dennoch struk­tu­rell erschwert. Auf die Frage, inwie­fern denn Migra­tion den Zugang zu Politik oder aber auch die Bildungs- und Karrie­re­chancen beein­flusst, sagt Schneider: Die Zahlen sind relativ deut­lich. Anhand von quan­ti­ta­tiven Studien sehen wir, dass wir viel weniger Mandats­tra­gende mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund haben, dass Bildungs­ab­schlüsse nied­riger sind und auch beim Zugang zum Arbeits­markt gibt es Diskri­mi­nie­rung.“ Auch das deut­sche Schul­system, dass Schü­le­rinnen oder Schüler früh nach Leis­tung teilt, erschwere vielen Kindern und Jugend­li­chen den gesell­schaft­li­chen Aufstieg.

Migra­tion als Normal­zu­stand

Dabei sei ein Migra­ti­ons­hin­ter­grund auf lange Sicht keine rele­vante Kate­gorie mehr”. In Frank­furt am Main beispiels­weise leben bis zu 50 Prozent der Einwoh­ne­rinnen und Einwohner mit Migra­ti­ons­ge­schichte. Allge­mein ist Mobi­lität in einer globa­li­sierten Gesell­schaft voll­kommen normal. Irgend­wann ist es wahr­schein­li­cher jemanden zu treffen, der einen Migra­ti­ons­hin­ter­grund hat als jemanden, der keinen hat.“ Was ist also zu tun, um dieser unauf­halt­baren Entwick­lung entgegen zu kommen? Viele Konzepte setzen früh an. Die Schule, aber auch schon die Kita oder der Kinder­garten sind Orte an denen durch geschickte Zusam­men­füh­rung unter­schied­li­cher Kinder eine inklu­sive Gesell­schaft geschaffen werden kann, die die Bedürf­nisse von Kindern aus Migranten- und Geflüch­te­ten­fa­mi­lien aner­kennt.

Jeder kann mithelfen

Laut Viktoria Schuck, einer 18-jährigen Studentin der Volks­wirt­schafts­lehre, führe beispiels­weise eine Trenn­po­litik in Schul­klassen zu eher nega­tiven Ergeb­nissen. Als 2015 der große Strom an Geflüch­teten in Deutsch­land ankam, begann sie in der Erst­auf­nahme in Regens­burg Gruppen von bis zu 40 Menschen in Deutsch und Mathe­matik zu unter­richten. Mitt­ler­weile arbeitet sie enger mit einzelnen zusammen. Schuck berichtet, dass eine geflüch­tete Dritt­kläss­lerin, die in einer inte­gra­tiven Schul­klasse unter­ge­bracht wurde durch den alltäg­li­chen Austausch mit ihren Mitschü­le­rinnen oder Mitschü­lern schnell Fort­schritte zeigte. Mitt­ler­weile habe sie eine Gymna­si­al­emp­feh­lung erhalten. Wichtig für Jugend­liche, die sich für Geflüch­tete enga­gieren wollen, ist: Du brauchst über­haupt kein Vorwissen“. Offen­heit, eine Sensi­bi­lität für Sprache und soziale Kompe­tenzen seien wich­tige Hilfs­mittel. Insge­samt sei es wichtig, auf Menschen zuzu­gehen, da wir alle vonein­ander lernen können.

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