10 Stationen zum Fast-Merkel-Inter­view

Datum
08. Juni 2016
Autor*in
Dilara, Maxi
Redaktion
politikorange
Thema
#BDEW Kongress16
Angela Merkel_Johannes (7 von 21)

Angela Merkel_Johannes (7 von 21)

Foto: Johannes Kolb
Über die Rede der Bundes­kanz­lerin schreiben kann doch jeder, aber die wahre Kunst ist es doch, Frau Merkel zu einem Inter­view zu über­reden (oder es zumin­dest zu versu­chen). Zehn Punkte, die es dabei zu beachten gibt.

1.Planung ist das halbe Leben

Planung kann an dieser Stelle auch mit Illu­si­ons­sterben gleich­ge­setzt werden. Du denkst, du wirst nach dem Auftritt der Kanz­lerin kurz mit der Guten schna­cken in dem du sie an der Ausgangstür abfängst. Aber Puste­ku­chen, auf die Frage an die Orga­ni­sa­toren, welche Tür sie denn benutzen wird, erntest du nur Gelächter, denn ein Kanz­le­rin­nen­be­such scheint durch­ge­planter zu sein als der Geld­trans­port einer Bank. Von der Hunde­staffel und Hinter­grund­über­prü­fungen ist die Rede und die Chancen auf ein Gespräch, ja sogar auf ein State­ment, schwinden zuse­hends.

Die einzige Aussicht die man bekommt, ist die eines nicht-bota­ni­schen Veil­chens vom Body­guard. Aber nicht verzagen, Merkel fragen bleibt die Devise und somit soll­test du mit deinen Mitstrei­tern in kollek­tiver Kopf­ar­beit einige Fragen vorbe­reiten, die spon­tane Antworten zulassen und schnell gestellt werden können.

2. Dress to impress

Norma­ler­weise fühlen sich die Leute an Orten, wo sich Angela Merkel herum­treibt mindes­tens genauso wichtig wie sie selbst. Das zeigt sich auch an deren Garde­robe: Schwarze Anzüge soweit das Auge reicht, zwischen durch mal das eine oder andere kurze Kleid­chen. Sich anpassen oder besser Auffallen? Kurz­zeitig wird ein Auftritt á la Femen erwogen, dann aber doch als zu extrem verworfen. Dann also doch: Besser nicht auffallen. Der Gammel-Look muss zuhause bleiben.

3. Grenz­kon­trolle

Gekleidet in deinen seriö­sesten Klamotten und mit Laptop und Smart­phone bewaffnet, erscheinst du am besten über­pünkt­lich am Veran­stal­tungsort – und das ist nötig, die Sicher­heits­kon­trollen sind nämlich hoch. Außerdem sind dann da noch grimmig drein­schau­ende Männer in Anzügen zu über­winden, die den Laptop ganz genau unter die Lupe nehmen – und gleich auch noch einen Blick auf den Hinter­grund erha­schen wollen.

4. Deut­sche Reser­vie­rungs­tak­tiken

Der Besuch von Angela Merkel ist ein Event und entspre­chend groß der Andrang. Ein Platz, der zugleich eine gute Sicht verspricht und auf der anderen Seite höchst­mög­liche Mobi­lität verspricht, wird gebraucht. Und: Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben oder er muss stehen und die Bundes­kanz­lerin verschwimmt zur Play­mo­bil­figur.

5. Gegen die Gesetze der Physik

Das Glück keine bere­chen­bare Größe ist, lehrt uns schon der Mathe­ma­tik­un­ter­richt – das Gleiche gilt für die Jagd auf die Kanz­lerin. Schließ­lich gibt es Hermines Zeit­um­kehrer noch nicht, so dass niemand an zwei Worten gleich­zeitig sein kann. Eine andere Taktik muss her – und die heißt in diesem Fall: Wir treten im Team an – unter­stützt durch moderne Kommu­ni­ka­ti­ons­tech­no­lo­gien, die die Brief­taube in Sachen Schnel­lig­keit um Längen schlagen. Verteilen ist die Devise und jeder teilt seine Beob­ach­tungen, die am Ende ein Gesamt­bild abbilden können. Und sollte einer von der Secu­rity ausge­knockt werden, gibt es immerhin Über­le­bende. Oder zumin­dest die Chance darauf.

6. Fröh­li­ches Rätsel­raten

Selbst die Nutzung moderner Kommu­ni­ka­ti­ons­me­dien schafft keine Allwis­sen­heit. Somit bleibt nur die Speku­la­tion über Fragen wie Wo kommt sie rein?“, Wo ist eigent­lich dieser Seibert?“, oder Wo geht sie raus?“. Fragen über Fragen – und keine Antwort. Denn am Ende kommt doch alles anders als man denkt.

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Foto: Maxi Unger

7. Still­ge­standen!

Du hast es geschafft und hast einen guten Platz, jetzt kannst du dich zurück­lehnen und auf die Kanz­lerin warten, aber wann kommt sie denn nun? Während du voller Span­nung im unge­müt­li­chen Blazer unruhig auf deinem Platz sitzt, scheinen die Minuten bis zum Erscheinen der Kanz­lerin lang­samer zu vergehen, als im Warte­zimmer beim Zahn­arzt.

Plötz­lich geht alles ganz schnell und du kannst förm­lich spüren: Sie ist hier. Die Beleuch­tung wird heller, dein Nachbar, der eben noch gelang­weilt in die Luft starrte, packt eifrig sein Tablet aus, das gesamte Publikum sitzt plötz­lich kerzen­ge­rade und es wird ganz still. Vor lauter Eifer kann es passieren, dass du beim Versuch diesen Moment für die Ewig­keit und deinen Instagram‑, Twitter‑, und Snap­chat­fol­lo­wern zu proto­kol­lieren, beinahe verpasst, was die Kanz­lerin eigent­lich gerade erzählt.

8. Nähe suchen

Angela Merkel kommt selten allein, eigent­lich nie. Viel­mehr bringt sie ihr gesamtes Gefolge mit, insbe­son­dere das Bundes­kri­mi­nalamt und Regie­rungs­spre­cher Seibert. Auch ein Gespräch mit ihm wird als nütz­lich einge­stuft, schließ­lich ist er der direkte Draht zur mäch­tigsten Frau der Welt. Aber wie ihn erkennen? Langsam dämmert es uns: Die Erfolgs­aus­sichten sind gering, beinahe utopisch. Der Glaube an die eigene Dreis­tig­keit aber ist immer noch da.

Und plötz­lich sind wir ganz nah dran, zumin­dest am Sicher­heits­ge­folge und werden auch prompt zum Inter­viewten, statt zum Inter­viewer – und das in einem Kreuz­verhör: Wer bist du?“, Was machst du hier?“, Warum zur Hölle?“ und Hä?“. Eigent­lich wäre es nun Zeit, den Rückzug anzu­treten, oder sich planlos zu geben und die Kanz­lerin ein biss­chen zu bewun­dern. Letzt­lich gibt es Erbarmen und man muss seinen Platz nicht räumen.

9. Die Chance

Und plötz­lich ist sie da: die Chance – zumin­dest ganz kurz. Denn genauso schnell, wie die Kanz­lerin rein­mar­schiert ist, verschwindet sie auch wieder. Sie ist eine Bienen­kö­nigin, die von ihren Sicher­heits­män­nern umkreist wird, um maxi­male Sicher­heit zu gewähr­leisten. Das ist die letzte Chance doch noch ein State­ment zu bekommen: Mit einer gehö­rigen Portion Dreis­tig­keit stürzt du dich ins Getümmel und schaffst es sogar bis in die Reich­weite der Kanz­lerin.

10. Auf den Versuch kommt es an

Wer nicht wagt, der nicht gewinnt und jugend­liche Naivität ist der Schlüssel dazu: Wir haben es übri­gens tatsäch­lich geschafft, uns nahe genug an die Kanz­lerin zu drän­geln und Konkur­renz hat uns ledig­lich die Secu­rity gemacht. Unsere älteren Jour­na­lis­ten­kol­legen sind völlig unge­rührt auf ihren Plätzen sitzen geblieben. Wir haben sie schließ­lich gefragt, ob sie zu Hause Ökostrom bezieht. Mehr als ein lachendes Kopf­schüt­teln konnten wir ihr aller­dings nicht abringen.


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